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Russisch

Warum Russisch-Unterricht in Zeiten des Krieges?

Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine hört man auch in Österreich häufiger Russisch – in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf der Straße oder in Geschäften. Auch an unserer Schule haben wir ukrainische Schüler:innen, die sowohl Ukrainisch als auch Russisch sprechen, für manche ist es sogar die Muttersprache. Das ist ein guter Grund, Russisch zu lernen: um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Gleichzeitig gibt es die Haltung, dass man die russische Sprache nicht vom politischen Machtstreben Russlands trennen könne und sie daher nicht mehr lehren oder lernen sollte. Als Russisch-Lehrkräfte müssen wir uns mit dieser Frage auseinandersetzen.

Daniel Jurjew gibt darauf in der Furche vom 1. Juni 2023 eine treffende Antwort: „In ihrer historischen Gewachsenheit ist keine Sprache von Gewalt zu trennen.“ Jede Lingua franca – eine Sprache, die in einem mehrsprachigen Raum als Verkehrssprache dient – ist auch Zeugnis von Eroberung und Verdrängung anderer Kulturen: Latein, Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Englisch – und ebenso Russisch. Und dennoch lernen wir diese Sprachen, lieben ihren Klang und freuen uns, mit ihnen in Kontakt mit unterschiedlichen Kulturen zu treten. So widersprüchlich es auch erscheinen mag.

Russisch eröffnet viele Begegnungsmöglichkeiten – nicht nur in der Russischen Föderation (im Russischen unterscheidet man übrigens zwischen russkij = „russisch“ und rossijskij = „den Staat betreffend“). Auch in allen Ländern des postsowjetischen Raums sowie in den großen Zentren der Emigration, etwa in den USA, Israel, Paris oder Berlin, trifft man Menschen, die Russisch sprechen. Insgesamt sind es etwa 150 Millionen Muttersprachler:innen und weitere 100 Millionen, die Russisch als Zweitsprache nutzen. Damit steht Russisch weltweit an achter Stelle der meistgesprochenen Sprachen.

Auch das ist ein guter Grund, Russisch zu lernen – und sich mit der russischen Kultur, Literatur, Musik und der kyrillischen Schrift vertraut zu machen.

Darum freue ich mich, dass es an unserer Schule weiterhin das Wahlpflichtfach Russisch gibt. An vielen anderen Schulen ist dieses Fach bereits aus dem Fächerkanon verschwunden. Unsere Schüler:innen entscheiden sich dennoch dafür – nicht zuletzt, weil der Unterricht lebendig und abwechslungsreich ist: Wir spielen Brett- und Rollenspiele, kochen gemeinsam, singen Lieder, lachen viel und probieren uns auch in Spielen wie сломанный телефон („kaputtes Telefon“ = stille Post).

Sprachreise nach Riga  im Winter 2024

In den Weihnachtsferien reisten 21 Schüler:innen, ein Vater und zwei Lehrerinnen nach Riga – eine lebendige Alternative zu einer Sprachreise nach Russland. Rund ein Viertel der Bevölkerung Lettlands spricht Russisch, und so konnten wir neben der lettischen Kultur auch eine russische Welt entdecken.

Wir wohnten bei russischsprachigen Gastfamilien, die uns herzlich aufnahmen. Vormittags besuchten wir einen vierstündigen Intensivkurs, nachmittags kochten wir Borschtsch, bemalten Matrjoschkas oder erkundeten die wunderschöne Altstadt Rigas mit ihrem Christkindlmarkt. Ein besonderes Highlight war der Besuch des Musicals Robin Hood im russischsprachigen Theater sowie die Mitfeier der Christmette am 6. Jänner in einer russisch-orthodoxen Kirche.

Neben den kulturellen Erlebnissen erhielten wir auch spannende Einblicke in die aktuelle Situation im Baltikum: In Gesprächen mit Gastfamilien und Lehrer:innen erfuhren wir, wie sich der Krieg in der Ukraine auf die russischsprachige Bevölkerung Lettlands auswirkt.

Mit vielen neuen Eindrücken und schönen Erinnerungen sind wir zurückgekommen – und Russisch geht uns nun viel leichter über die Lippen.

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MMag. Hermine Haidvogel und Mag. Anna Voronina